Alles eine Frage der Kapazität?

September 2020 - Corona-Krise zweiter Teil | Abgrenzung Überschuldung zu Zahlungsunfähigkeit | Handlungsempfehlung, um das Unternehmen fit für die Zukunft zu machen.

Der Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing fürchtet [eine] lang anhaltende Krise und „Zombie-Unternehmen“. Eine Sache aus dem Mittelteil des Artikels im Handelsblatt (externer Link) vom 02.09.2020 ist bemerkenswert und daher zitiere ich:

Der Deutsche-Bank-Chef sieht die Gefahr des Abgleitens in die sogenannte Zombiewirtschaft: ‚Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Wirtschaft in einigen Bereichen nur mit 90, 80 oder gar 70 Prozent ihrer Kapazität läuft‘, sagte Sewing auf dem diesjährigen Handelsblatt Banken-Gipfel in Frankfurt. Einige Firmen würden es in ihrer aktuellen Aufstellung schwer haben, auf diesem Niveau gewinnbringend zu arbeiten.

Wenn jedes sechste Unternehmen in Deutschland durch Rettungsgelder und faktisch ausgesetzte Insolvenzmeldungen ein „Zombie“ werden könnte, wie die Auskunftei Creditreform warnt, dann hätte das gravierende Auswirkungen auf die Produktivität unserer Volkswirtschaft.“ Zitat Ende!

Mich stören die 90, 80 oder gar 70 Prozent im Zusammenhang mit dem gewinnbringenden Niveau. Wie kann ein Business Model erfolgreich existieren, das nur in den Phasen der Vollauslastung Gewinn bringt? Ist dann bei einer fünf-Tage-Woche und der Gewinnschwelle von 90% erst ab Freitagmittag der Punkt des Geldverdienens erreicht?

Während meiner Zeit der Neuproduktentwicklung mit anschließender Ertüchtigung der Kleinserien- bzw. Linienfertigung galten ganz andere niederschwelligere Punkte, um einen vernünftigen ROI zu erreichen. Medium- und Worst-Case-Betrachtungen wurden angestellt und die Annahmen extrem gestresst.

Und, was heißt Kapazität? Das ist schon immer ein Streitpunkt. Für mich ist die zur Verfügung stehende Kapazität sieben Tage in der Woche, 24 Stunden lang. Die Frage, wie viele Schichten gearbeitet wird, hängt von der Organisation, der Effizienz und der Nachfrage ab. Klassiker bei der Ausnutzung der Kapazität sind immer wieder Rüstzeiten oder Pausen, bei denen Prozesse stillstehen. Oder sich gewaltig aufsummierende Mikroverschwendungen, weil Menschen pünktlich zum Schichtende am Drehkreuz stehen und ausstempeln.

Wäre die obige Aussage präzise, landen wir bei der OEE eines Prozesses. Die Gesamtanlageneffektivität ist der Goldstandard für die Verbesserung der engpass- oder durchsatzrelevanten Prozesse in der Industrie. Und zwar nur dieser.

Die OEE berechnet sich aus der Multiplikation der jeweils prozentualen Verfügbarkeit, der Performance im Sinne der Leistungsfähigkeit und der Qualität.

Genug der Kritik. Der Fokus der operativen Leitung in diesen Tagen muss darin liegen, die prozentuale Qualitätsmenge sowie die Performance auf Welt-Klasse-Niveau zu heben. Es kann in Tagen der Krise nicht sein, zu viel zu produzieren, um Ausschuss zu kompensieren oder teure Nacharbeit zuzulassen. Wenn früher eine Nullfehler-Toleranz galt und Prozesse dahingehend ständig angepasst wurden (oder hätten), so ist das heute umso wichtiger.

Ähnliches gilt für die Supply Chain. Jeder Teil der Wertschöpfungskette muss auf den Prüfstand und die Effizienzreserven gehoben werden.  Ein „Augen zu“ bzw. Aussitzen darf in den Zeiten der Krise nicht gelten.

Daraus folgen für Unternehmensleiter wichtige Aufgaben, die parallel angegangen werden müssen:

  1. Lesen Sie im Bundesgesetzblatt (externer Link) das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht
  2. Dringende Sicherung der finanziellen Liquidität und damit des kurzfristigen Überlebens. Auf der Webseite des Bundesministeriums der Justiz heißt es dazu: „Unternehmen, die lediglich überschuldet, aber nicht zahlungsunfähig sind, sollen deshalb bis Ende des Jahres weitere Zeit bekommen, um sämtliche Sanierungs- und Refinanzierungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Denn bei diesen Unternehmen besteht die Aussicht auf eine dauerhafte Sanierung, wodurch Arbeitsplätzen erhalten und bestehende Strukturen bewahrt werden können.
    Konkret: Schauen Sie, ob Ihre Finanzplanung belastbar ist und den Szenarien Einbruch der Nachfrage um 20 bis 30% bzw. Eintreffen einer zweiten Welle standhält. SAP bietet selbst im /R3-Standard ganz clevere Lösungen. Die hierzu notwendigen Maßnahmen und Aktionen sprengen den Rahmen dieses Artikels, daher kurz nur die Definitionen:
    • Definition Überschuldung in § 19 Abs. 2 Satz 1 Insolvenzordnung: „Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.“
    • Zahlungsunfähigkeit in § 17 Abs. 2 Insolvenzordnung definiert: „Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.“
      Bei Zahlungsunfähigkeit gibt es enge zeitliche Grenzen. Und wenn Sie sehen, dass Ihre Kunden immer mehr die Zahlungsziele reißen, ist Vorsicht angebracht.
  3. Das sind die kurzfristigen Maßnahmen, die Überleben sichern. Die Zukunft gewinnen Sie, indem Sie die Leistungsfähigkeit der Prozesse sichern, um im Verdrängungswettbewerb der Stärkste zu werden. Warten, dass der Wettbewerber schneller und besser mit der Krise umgeht, ist auch keine gute Strategie. Die Karten werden neu gemischt.

Jetzt gilt es: stabilisieren, innovieren und wachsen!

Der Corona-Virus scheint die schon Geschwächten in der Gesellschaft am stärksten zu treffen. Das gilt sowohl für Menschen als auch Unternehmen. Hoffen auf bessere Zeiten allein reicht nicht.

Viel Erfolg wünscht


John Persch

Scroll to Top

The only way not to be eaten by sharks is transforming into a shark!”

Sie möchten mehr über meine Ideen & Ansätze erfahren?

Dann lassen Sie uns sprechen.

Cookie Consent mit Real Cookie Banner